Nigeria keucht unter einem Bruderkriegsindex von 6. Während 1.000 Männer im Alter von 60 bis 64 Jahren Richtung Rente streben, nehmen 6.000 Jünglinge im Alter von 15 bis 19 den Lebenskampf auf. Das gilt für Nord und Süd, Christenheit und Islam. Himmelsrichtungen hat das Land seit Ewigkeit und unterschiedliche Religionen kaum weniger lange. Damit lässt sich am aktuellen Blutvergießen gar nichts erklären. Aber einen Bevölkerungsanstieg um den Faktor 10 in nur 100 Jahren erlebt Nigeria lediglich einmal – und zwar zwischen 1910 und 2010, als es von 16 auf 160 Millionen springt.
Ein derart explosiver Anstieg wird sich nicht wiederholen. Mehr als eine
Vervierfachung bis 2210 erwartet niemand. Aber bis 2025 liegt der
Bruderkriegsindex immer bei 6. Erst 2070 wird er unter 3 sinken und
damit die Schwelle unterschreiten, über der opferreiche Gewalttaten die
Regel sind.
Alte heilige Bücher verüben keinen
Terror. Aber wütende junge Männer entlehnen ihnen fromme Gründe für
ihren blutigen Weg nach oben oder in den Heldentod. Da in Nordnigeria
vorrangig Muslime leben, tendiert die Boko Haram-Bewegung zum Koran, der
als einziges Buch ohne Sünde sei. Im ostafrikanischen Uganda dagegen
überwiegen Christen, weshalb die Jugend in The Lord’s Resistance Army
eher zur Bibel neigt, ohne nun dieses Buch auch gleich zu lesen. Das
fruchtbare Land mit knapp einer Million Genozidtoten seit 1970 prunkt
mit einem Bruderkriegsindex von mehr als 8 und einem Bevölkerungszuwachs
von 2,8 auf 35 Millionen zwischen 1910 und 2010. Im Jahre 2025 wird
Ugandas Bruderkriegsindex sogar bei 9 stehen und damit einen Weltrekord
markieren. Ungeachtet der jeweiligen religiösen Lesarten werden deshalb
in West- und Ostafrika die Massaker-Nachrichten noch lange nicht
abreißen.
Gunnar Heinsohn