Heute vor 65 Jahren – nach jüdischem Kalender – verkündete David Ben-Gurion die Wiedergeburt des Staates Israel als Heimstätte des jüdischen Volkes. Nur wenige glaubten damals, dass die 650.000 Juden, die im Lande lebten, eine Chance gegen die Araber hätten, die den Teilungsbeschluss der Vereinten Nationen abgelehnt und angekündigt hatten, den neugegründeten Staat umgehend zu zerstören. Tatsächlich griffen die Armeen mehrerer arabischer Staaten sofort an, aber trotz hoher Verluste konnte sich der Yischuw behaupten.
Das war schon damals nicht nur ein kleines Wunder. 65 Jahre später kann selbst ein neutraler Beobachter nicht umhin, das, was seit damals erreicht wurde, als ganz außergewöhnliche Leistung zu würdigen: Etliche Zehntausende Überlebende des Holocaust fanden in Israel eine neue Heimat, ebenso wie Hunderttausende von Juden, die man aus den Ländern des Orients vertrieben hatte. Alle diese Einwanderer aus mehr als hundert Ländern, die bald ein Mehrfaches der ursprünglichen Einwohnerzahl ausmachten, hatten früher oder später ein Dach über den Kopf und fanden Wege, sich in die ihnen fremde Gesellschaft zu integrieren. Das Hebräische, das seit 2000 Jahren nur Gelehrte und Rabbiner gesprochen hatten, wurde wiederbelebt und der Zeit angepasst – und zur Alltagssprache von Millionen, in der zahllose Lieder, Bücher, Filme und Theaterstücke verfasst wurden. Lebte in den Gründungsjahren die Generation der Pioniere noch äußerst spartanisch, arbeitete sich Israel zum Wohlstandsland und Hochtechnologiestandort hoch, und das, ohne mit den mehrheitlich weiter feindlich gesinnten Nachbarstaaten Handel treiben zu können.
Malariaverseuchte Sümpfe wurden trockengelegt; an ihrer Stelle stehen heute ganze Städte. 25.000 Menschen verlor das Land durch Krieg und Terror, und doch sind die Menschen lebensfroh und optimistisch. Sie wissen um die vielen Probleme, die ihr Land naturgemäß hat, auch um die hausgemachten, aber sie sind stets bereit, aus Fehlern zu lernen und es beim nächsten Mal besser zu machen. Selbst in Zeiten äußerster Bedrohung war die Demokratie nicht einen Tag in Gefahr, und gibt es irgend etwas im Land zu kritisieren, sind die Israelis die Ersten, die es tun. Genau das macht ihre moralische Stärke aus, und auch daher haben sie Anspruch auf die Solidarität jedes vernünftigen Menschen auf diesem Planeten – ohne den Vergleich mit ihren Feinden bemühen zu müssen.
Es ist ein Land, in dem Frauen die gleichen Rechte wie die Männer haben, die Juden wie die Araber, und in dem alle Bürger nach ihrer Façon leben können. Gut acht Millionen Menschen leben heute in diesem äußerst vielfältigen Staat, so frei wie in keinem anderen Land der Region. Die Zahl der Juden hat die sechs Millionen erstmals überschritten; ein geeigneter Augenblick, um darauf hinzuweisen, dass, wer von den sechs Millionen Opfern der Shoah redet, von den sechs Millionen zu dieser Stunde bedrohten Juden nicht schweigen darf. Wie tröstlich es ist, zu wissen, dass Israel zur Not auch allein für sein Überleben sorgen kann! Denn zum Glück gesellt sich zur moralischen Stärke Israels die militärische; die Welt, zumal die nahöstliche, ist nun mal nicht so, wie sie sich der kleine Moritz im satten, vielleicht trügerisch friedlichen Mitteleuropa vorstellt.
Ihren Blick für das Machbare haben sich die Israelis bewahrt. Auch wenn vieles frustriert – die Hoffnung, wieder ein freies Volk im eigenen Land zu werden, wie sie in der Hatikva ausgedrückt wird, hat sich erfüllt. Der Frieden lässt weiter auf sich warten. Doch über die bloße Behauptung seiner Existenz hinaus hat der jüdische Staat viel, sehr viel mehr erreicht als man je hoffen konnte. Im Jahr 2013 sehen wir ein Land, winzig, bedroht, mit verwundbaren Grenzen, oft genug allein gelassen, unverstanden, angefeindet, verwirrend heterogen, voller Volksgruppen, die sich zusammenraufen müssen, ein Land, in dem man – kein Öl, nirgends – für den Wohlstand hart arbeiten muss; aber auch: ein Land mit reicher Kultur, mit hinreißenden Landschaften von den Bergen Galiläs bis zur Negev-Wüste, ein Land voller Leben, in dem Herkunft und Zukunft noch etwas bedeuten, ein Land, bewohnt von außergewöhnlichen Menschen, die betörend charmant, manchmal furchtbar anstrengend, witzig, sarkastisch, selbstironisch, peinlich laut – oder leise und unendlich traurig sein können. Die für ihre Heimat, wenn es sein muss, auch kämpfen. Und denen selbst in Zeiten des Krieges oder des Terrors der moralische Kompass nicht abhanden kommt. Ein Land, das auf eigenen Beinen steht. Ein altes Land, dem es an gesunden, schönen, selbstbewussten jungen Menschen nicht mangelt.
Ein großartiges Land. Erez Nehederet.
Happy Birthday, Israel.