Wie wird man die heutige Zeit eines Tages nennen? Die Epoche der Ängstlichkeit? Das Zeitalter der Selbstbeschränkung? Den Abschied von der Aufklärung? Neo-Romantik? Ökologismus? Vielleicht bleiben die künftigen Geschichtsbücher bei dem Begriff „Postmoderne“, der bereits seit den 80er Jahren geläufig ist. Er trifft die Empfindungen und Empfindlichkeiten des frühen 21. Jahrhunderts recht genau. Der Westen - so die Postmodernismus-These - verabschiedete sich vom Projekt der Moderne, welches sich in vieler Hinsicht selbst diskreditiert hat. Doch statt über die Moderne hinauswachsen zu wollen in eine vielleicht bessere oder zumindest offene Zukunft, pflegen die Eliten Wunschbilder aus einer romantisierten vorindustriellen Vergangenheit.
Alternativlos ist dieser Zeitgeist nicht. Eine Gesellschaft, die ihre Lektionen in Sachen Krieg, Intoleranz, technische Hybris und Umweltrisiken gelernt hat, könnte sich durchaus zutrauen, mit reflektiertem Fortschrittsoptimismus nach vorne zu blicken. Aber eine solche Sichtweise wird in Deutschland als unverantwortlicher „Machbarkeitswahn“ betrachtet. Ob der postmoderne Zeitgeist sich als zukunftsfähig erweist, kann die nächste Generation besser beurteilen. Sie wird unseren Jahrzehnten einen Namen geben, wenn längst ein neuer Zeitgeist herrscht. Denn im Gegensatz zu den Geistern in alten englischen Schlössern sind Zeitgeister sterblich.
Michael Miersch